Kanumagazin 2/2015 Szene

Historiker, Germanist, Autor und Filmemacher – aber kein Paddler. Dennoch hat Daniel Weißbrodt mehr Fahrtenkilometer auf dem Tacho als manch' gestandene Wasserratte. Im Interview verrät der Leipziger, wie man einen Paddelfilm per Crowdfunding finanziert, warum die Donau für ihn der exotischste Fluss der Welt ist und wie sein selbstgebautes Kajak den Namen »Schneewittchenkuchen« bekam.

 

Daniel, du hast in den letzten Jahren zweimal die Donau komplett befahren. Warum sagst du trotzdem von dir, dass du kein »richtiger« Paddler bist?

Nun, es ist so, dass ich mit meinen spärlichen Paddelerfahrungen noch immer ganz Anfänger bin. Ein fröhlicher Dilettant, der ganz und gar keinen sportlichen Ehrgeiz entwickelt. Der sich lieber mal treiben lässt, statt sich anzustrengen, und der sich zurücklehnt und ein Zigarettchen paffend in die Landschaft guckt und sich an ihr erfreut. All das hat nur wenig mit einem »richtigen« Paddler zu tun, so wie ich ihn mir vorstelle.

 

Deine Jungfernfahrt: drei Wochen auf Donau im Sommer 2008. Warum dieser Sprung ins kalte Wasser?

Schuld war vor allem die Tatsache, dass die Donau nach Südosten fließt. In diesem Teil Europas bin ich schon oft gewesen, und ich bin immer wieder gerne dort. Zudem ist die Donau – kein Fluss auf der Welt hat auch nur annähernd so viele Anrainerstaaten – für mich der exotischste Fluss der Welt. Alle paar hundert Kilometer eine neue Grenze, ein neues Land, eine neue Sprache, das finde ich ungeheuer faszinierend.

 

Was war die erste große Herausforderung?

Schon nach hundert Metern Fahrt die Steinerne Brücke in Regensburg. Im DKV-Führer hatte ich zwar gelesen, dass man das zweite Joch von rechts nehmen sollte, das habe ich auch getan, aber danach geriet ich in einen Strudel. Ich dachte, ich saufe mit meinem voll beladenen Faltboot gleich hier ab. Zum Glück ist es noch mal gut gegangen, aber ich hatte zitternde Knie und mächtig Respekt, um nicht zu sagen, eine verdammte Angst vor diesem großen Fluss.

 

Das schönste Erlebnis auf diesem ersten Abschnitt?

Am Morgen aus dem Zelt kommen, das Gras unter den nackten Füßen spüren, direkt am Ufer seinen Kaffee trinken und zu wissen: ich werde die nächsten Tage oder gar Wochen weiterfahren mit dem Fluss. Das Leben mit der Sonne, aufwachen, wenn sie aufgeht, und schlafen gehen, wenn es dunkel wird, einfach immer draußen zu sein, keine Wände, das ist sehr schön. Und am Abend, nach einer langen Tagesetappe, am Fluss zu sitzen, über das fließende, strömende Wasser zu blicken und spüren, dass man ein Teil von dieser Landschaft ist, das sind unvergessliche Momente.

 

Du bist dann 2010 und 2011 an die Donau zurückgekehrt, um das Schwarze Meer zu erreichen. Was war dein spannendstes Abenteuer auf dieser Strecke?

Da gäbe es vieles, was zu erzählen wäre, aber es sind wohl vor allem die vielen kleinen Begegnungen und Gespräche und die manchmal sehr bewegenden und berührenden Geschichten, die ich gehört habe von ganz normalen Menschen an den Ufern des Flusses, das ist es, was wohl längsten und nachdrücklichsten in Erinnerung bleibt.

 

Wochenlang allein auf dem breiten Strom. Wird das nicht langweilig?

Ich kann gut alleine sein, und ich bin mir oft selbst genug. Ich hoffe, dass es noch nichts Eigenbrötlerisches an sich hat, aber ich kann auch ein paar Tage lang allein unterwegs sein und keinem Menschen begegnen, ohne dass es mir langweilig wird. Um so schöner und intensiver sind dann ja auch wieder die nächsten Begegnungen und Gespräche.

 

Wieder daheim hast du alle Eindrücke in ein Buch gesteckt. Entstand die Idee unterwegs?

Bei der ersten Etappe wollte ich einfach nur mal schauen, wie weit ich denn so kommen werde in drei Wochen. Ich habe es dann bis Budapest geschafft, aber an ein Buch habe ich da noch nicht gedacht. Ich habe zwar ein Tagebuch geführt, aber noch nicht mit dem Ziel, etwas zu veröffentlichen. Diese Idee entstand dann mit den Vorbereitungen zur zweiten Etappe. Denn es gab zwar eine Handvoll Bücher über Donaubefahrungen, aber noch keines, das eine Fahrt durch alle zehn Länder beschreibt. Da dachte ich mir dann, dass es wirklich etwas Neues ist, was ich beschreiben kann, und dass es also damit tatsächlich einen Sinn hat, dieses Buch zu veröffentlichen.

 

Obwohl du nach drei Sommern das Schwarze Meer erreicht hattest, hat dich die Donau nicht wieder losgelassen...

Nein, das hat sie nicht, ganz im Gegenteil, aber ich denke, das kann jeder nachvollziehen, der sich schon einmal auf diesen Fluss eingelassen hat.

 

Also zurück auf Anfang, dieses Mal aber nicht alleine, sondern mit der Tour International Danubien. Wie bist du auf diese Idee gekommen?

Schon nach der ersten Tour hatte ich angefangen, Literatur über die Donau zusammenzusammeln, ich habe mich ein bisschen eingelesen, das Interesse war geweckt, und dann stößt man über kurz oder lang auch auf die TID. Auch wenn sie erstaunlicherweise außerhalb von Paddlerkreisen weitgehend unbekannt ist. Und das, obwohl sie die längste Wasserwanderfahrt der Welt ist und in diesem Sommer bereits zum 60. Mal stattfindet.

 

Wie bekam dein selbstgebautes Kajak, mit dem du die TID gepaddelt bist, den ungewöhnlichen Namen »Schneewittchenkuchen«?

Als das Boot fertig war, habe ich meine Freunde zur Probefahrt eingeladen Wir tranken Bier und hatten einen schönen Abend. Irgendwann kam jemand auf die Idee, dass so ein Boot ja auch einen Namen braucht. Der Gedanke gefiel mir, und leichtsinnigerweise habe ich gesagt: »OK, stimmen wir ab!« Jemand sagte: »Donauwelle«, und ein anderer: »Das ist doch nur ein anderes Wort für Schneewittchenkuchen!« Den Namen fand dann die Mehrheit – sie hatten alle schon ein paar Bier intus – so lustig, dass er bei der Abstimmung gewann. Ich hatte es versprochen, also blieb es dabei und das Boot heißt nun »Schneewittchenkuchen«, auch wenn ich den Namen eigentlich gar nicht wirklich mag...

 

Dieses Mal hattest du eine Filmkamera dabei. Vom Schriftsteller zum Filmemacher, warum dieser Wandel?

Es war ein Versuch, entstanden aus einer Schnapsidee. Ein Versuch, der geklappt hat. Die technischen Möglichkeiten sind heute so, dass ich es wagen konnte, dieses Experiment anzugehen. Vor zehn oder fünfzehn Jahren noch wäre eine solche Idee nicht umsetzbar gewesen. Und wann hat man schon einmal die Möglichkeit, etwas zu machen, das es so noch nicht gegeben hat? Ein Film über die TID, das war ein solches Novum.

 

Als Novum in der Kajakfilmbranche hast du für die Finanzierung ein »Crowdfunding« eingesetzt. Per Internet viele haben viele Leute Kleinbeträge für die Produktion des Filmes gegeben. Warum diese Vorgehensweise?

Als sich abzeichnete, dass das Material sowohl von der Menge – ich hatte 42 Stunden Aufnahmen mit nach Hause gebracht – als auch von der Qualität ausreichend ist, einen Film daraus zu machen, und als der Rohschnitt schon ganz gut aussah, habe ich das Crowdfunding gestartet. Ich finde, dass das eine gute Möglichkeit ist, ein Projekt zu finanzieren. Wenn viele Menschen sagen: »Ja, ich bezahle heute beispielsweise eine DVD oder eine Premierenkarte, erhalte sie in einem halben Jahr, und mit meiner Vorfinanzierung entsteht ein Film, den es ansonsten nicht geben würde«, dann ist das eine tolle Sache.

 

Bis kurz vor Ablauf des der zeitlichen Frist war ja nicht klar, ob das Geld letztendlich zusammenkommt. Wie hast du diese Tage erlebt?

Schlaflos. Der Rechner lief 24 Stunden, die Grenzen zwischen Tag und Nacht waren praktisch aufgehoben, ich habe selten mehr als drei Stunden am Stück geschlafen, bin immer wieder zum Laptop und habe nach dem aktuellen Stand gesehen. Ich lag wach und habe mich gefragt, was ich tun kann, um das Crowdfunding zu einem Erfolg zu führen. Als es dann geklappt hat, war ich begeistert und brauchte erst einmal eine Weile, um zu begreifen, dass es tatsächlich geschafft ist. Danach habe ich mich erst mal richtig ausgeschlafen.

 

Du hast deinen Film aufwendig in zehn Sprachen untertitelt. Warum das?

Es war mir sehr wichtig, den verbindenden Aspekt, der ja für die TID ein ganz wichtiger und zentraler Punkt ist, auch im Film aufzugreifen. Aus diesem Grund ist er in allen Sprachen der Donauanrainerländer sowie auf Englisch und – vielleicht sogar als der erste, zumindest aber als einer von ganz wenigen deutschen Filme – auf Romanes, der Sprache der Roma, untertitelt.

 

Nach zwei Komplettbefahrungen der Donau und vier Sommern im Boot: wann kommt die Verwandlung zum waschechten Paddler?

Vielleicht im Juni Da bin ich mit Freunden für eine Tour auf der Werra verabredet. Denn Paddeln, das macht zu viel Spaß, als dass ich jetzt damit einfach aufhören könnte. Und vielleicht packt mich ja eines Tages doch noch der sportliche Ehrgeiz.

 

Interview: Falk Bruder, Foto: Jim Watson

 

Kanumagazin 2/2015

Tanners Interview mit Daniel Weißbrodt: Eine wahnsinnig tolle Sache

Filme machen funktioniert am Besten mit dem Herzen. Und mit schwieligen Händen, wenn es ums Paddeln geht. Daniel Weißbrodt paddelte die Donau entlang und hat darüber einen Film gemacht – und dies von Anfang bis Ende. Tanner fragte ihn über Finanzierung, Dreh und Philosophie aus.

 

Hallo Daniel Weißbrodt, ich halte gerade Deinen Film »Die Völkerverständigung, die klappt ganz gut …« Ein Film über die Tour International Danubien in der Hand. Jetzt mal für die Uneingeweihten: Was ist die Tour International Danubien eigentlich?

Die Tour International Danubien, kurz TID, ist die längste, die wahrscheinlich älteste und trotzdem – außerhalb von den Paddlerkreisen selbst – wohl unbekannteste Paddeltour der Welt, die alljährlich im Sommer auf der Donau stattfindet. Die TID startet Ende Juni in Ingolstadt, sie führt in elf Wochen über 2.500 km durch acht Länder und endet Anfang September in Sfântu Gheorghe, Rumänien, am Schwarzen Meer.

In diesem Jahr findet nun schon die 60. TID statt, begonnen hatte alles 1956, als eine kleine Teilbefahrung zwischen Bratislava und Budapest. Aber schon 1969 startete die TID in Ingolstadt, Flusskilometer 2.455, und führte lange Zeit bis Silistra, Bulgarien, km 375. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: 20 Jahre vor dem Fall des Eisernen Vorhangs kommen da ein paar Verrückte und sagen: „Ach, eure komischen Grenzen, die interessieren uns nicht, und ach ja, wo gibt’s nochmal die Visa? Uns interessiert allein der Fluss.“

 

Wird nicht ganz leicht gewesen sein…

Das war ja ein ungeheurer bürokratischer Aufwand damals! Das wichtigste Ziel der TID war und ist die Überwindung von Grenzen, die gegenseitige Akzeptanz ungeachtet aller kulturellen, sprachlichen und religiösen Unterschiede und das gegenseitige Kennenlernen. Das finde ich äußerst faszinierend, und es nötigt mir den höchsten Respekt ab, so etwas in der Hochzeit des Kalten Krieges unbeirrt durchzuziehen und eine Tradition zu begründen, die nun schon ein gutes halbes Jahrhundert existiert und nach wie vor äußerst lebendig ist.

 

Wie kam es zu dem Film? Filme gibt es ja wie wilde Zeltlager an der Donau – recht viele – warum hast Du den Film gemacht? Was fehlte?

Im Frühjahr 2008 hatte ich auf dem Dachboden des Hauses, in dem ich damals lebte, ein altes Faltboot gefunden. Da ich mich ohnehin für das mittlere und südöstliche Europa interessiere, schon oft dort war und immer wieder gern dort bin, fiel meine Wahl auf die Donau.

Mit dem Boot langsam und lange unterwegs zu sein, dabei kleinere und größere Orte zu besuchen, in die man mit einer anderen Art des Reisens niemals gelangen würde, das hat mich sehr gereizt. Zudem ist die Donau – kein Fluss auf der Welt hat auch nur annähernd so viele Anrainerstaaten – für mich der exotischste Fluss der Welt. Alle paar hundert Kilometer eine neue Grenze, ein neues Land, eine neue Sprache, das finde ich ungeheuer faszinierend. Die Gewässereigenschaften und die Strömungsverhältnisse, die Fließgeschwindigkeit und solche Sachen, das war für mich völlig nebensächlich, das interessierte mich, wenn überhaupt, nur ganz am Rande. Das war ziemlich naiv. Aber es funktionierte, und ich kam bis Budapest. 2010 fuhr ich dann weiter bis Ruse, Bulgarien, km 495, und 2011 bis ans Meer. Daraus entstand dann das Buch „Regensburg am Schwarzen Meer. 2.400 Kilometer auf der Donau“, erschienen 2013 im Engelsdorfer Verlag, aber ich war mit dem Donauvirus infiziert.

Nach der ersten Tour schon hatte ich angefangen, Literatur über die Donau zusammenzusammeln, ich habe mich ein bisschen eingelesen, das Interesse war geweckt, und dann stößt man über kurz oder lang auch auf die TID. Und so bin ich 2013 mitgefahren, diesmal am Stück, von Deutschland bis ans Meer, ich wollte einen Dokumentarfilm über die TID machen, habe eine Kamera mitgenommen, Interviews mit einigen der Paddler geführt, die die Gesamtstrecke gefahren sind, und habe schöne Detail- und Landschaftsaufnahmen gesucht. Wann hat man schon einmal die Möglichkeit, etwas zu machen, das es so noch nicht gegeben hat und was kaum jemand kennt, obwohl es eine absolut faszinierende Geschichte ist? Ein Film über die TID, das war ein solches Novum.

 

Der Film entstand ja über eine Crowdfundingaktion. Kannst Du uns da bitte etwas erzählen dazu? Was kam zusammen? Wer hat geholfen? Was bekamen die Crowdeinzelhelden? Wo floss das Geld hin?

Als sich abzeichnete, dass das Material sowohl von der Menge – ich hatte 42 Stunden Aufnahmen mit nach Hause gebracht – als auch von der Qualität ausreichend ist, einen Film daraus zu machen, und als der Rohschnitt schon ganz gut aussah, habe ich das Crowdfunding gestartet. Ich finde, dass das eine gute Möglichkeit ist, ein Projekt zu finanzieren. Wenn viele Menschen sagen: „Ja, ich bezahle heute beispielsweise eine DVD oder eine Premierenkarte, erhalte sie in einem halben Jahr, und mit meiner Vorfinanzierung entsteht ein Film, den es ansonsten nicht geben würde“, dann ist das eine ganz feine Sache. Hier finden sich Gleichgesinnte, die, jeder mit seinem Anteil, gemeinsam etwas auf die Beine stellen, das eben nur durch die Crowd, durch den Schwarm, entstehen kann. Aus der Quantität erwächst dadurch eine Qualität, das finde ich ganz großartig.

Es gab verschiedenste Gegenleistungen, angefangen von der gebrannten DVD über DVDs im DigiPack mit Booklet, von den Premierenkarten über die Nennung als Unterstützer, bis hin zum Sponsorenpaket war alles und für jeden Geldbeutel etwas dabei.

Durch die TID selbst, aber auch über den Deutschen Kanuverband und den Wasserwanderausschuss Leipzig, über viele Vereine in ganz Deutschland, aber auch mit der Hilfe von vielen einzelnen Paddlern in Deutschland, Österreich und der Schweiz war ich in der Szene ganz gut vernetzt, die Organisatoren und die Teilnehmer der TID haben mich wahnsinnig unterstützt, so dass das Crowdfunding letztlich erfolgreich war.

So kamen dann gut 19.000,- Euro zusammen, und der TID-Film wurde das fünfterfolgreichste Projekt der Visionbakery. Mit dem Geld habe ich zum einen meine Existenz für ein halbes Jahr gesichert, vor allem aber die Musikrechte, die DVD-Produktion, den Premierenabend und so weiter bezahlt. Man glaubt ja nicht, was da selbst bei einer solch absoluten Low-Budget-Produktion alles an Kosten zusammenkommt.

Du bist buchbar – für 300 Eus kommst Du in unabhängige Kinos, in Vereine oder zu anderen Interessierten, zeigst Deinen Film und erläuterst – funktioniert dieses Konzept? Wohin ging und geht denn schon die Reise des Films mit Dir?

Das Interesse und die Neugier der Paddler selbst ist sehr groß, die Leute erkennen sich wieder in dem Film, und dass er authentisch auf die wirkt, die wissen, was Paddeln ist, das erfüllt mich wirklich mit einer großen Freude. Aber es ist ja mein Ziel, diese faszinierende Geschichte auch außerhalb der Insiderkreise zu erzählen, sie hinauszutragen und zu sagen: Schaut her, das ist eine wahnsinnig tolle Sache, davon sollte man gehört haben!

Das fängt jetzt langsam an, und nach der Premiere im November in der Schaubühne Lindenfels habe ich den Film schon in Mainz gezeigt, im März fahre ich nach Spremberg, dann nach Ulm und Würzburg, im Juni wird er, wenn alles klappt, in Ruse (BG) laufen, und im September im Rahmen eines Donaufestivals in Belgrad (RS). Jetzt zeigt sich, dass es eine gute Entscheidung war, den Film in allen Sprachen der Donauanrainerstaaten sowie in Englisch und – vielleicht sogar als der erste, zumindest aber als einer von ganz wenigen deutschen Filme überhaupt – in Romanes zu untertiteln. Leben kann ich davon zwar noch nicht, aber das ist auch nicht mein vorrangiges Ziel.

 

Jahrelang hast Du Dich wissenschaftlich und intensiv – auch publizierend – mit Nietzsche befasst. Gibt es da Übergänge zwischen der Philosophie und dem Paddeln? Wenn ja, welche?

Nun, ich bin ja kein Philosoph, ich bin Historiker und Germanist, und meine Beschäftigung mit Nietzsche – ich habe sechs Jahre lang an der Kritischen Gesamtausgabe der Werke mitgearbeitet – war editorisch, nicht inhaltlich oder analysierend. Wir haben an der IX. Abteilung, am späten handschriftlichen Nachlass ab Frühjahr 1885, gearbeitet, das war akribische Transkriptionsarbeit. Mit der Philosophie Nietzsches selbst bin ich nie richtig warm geworden, auch wenn ich seine reiche, seine präzise und wunderbar schöne Sprache sehr schätze. Seine Wortschöpfungen sind jedenfalls von einer Schönheit, die ihresgleichen sucht.

Paddeln hat eher etwas Meditatives und damit, wie ich finde, etwas eher Unphilosophisches. Aber am Morgen aus dem Zelt kommen, das Gras unter den nackten Füßen spüren, direkt am Ufer seinen Kaffee trinken und zu wissen: ich werde die nächsten Tage oder gar Wochen weiterfahren mit dem Fluss, das Leben mit der Sonne, aufwachen, wenn sie aufgeht, und schlafen gehen, wenn es dunkel wird, einfach immer draußen zu sein, keine Wände, das ist sehr schön. Und am Abend, nach einer langen Tagesetappe, am Fluss zu sitzen, über das fließende, strömende Wasser zu blicken und spüren, dass man ein Teil von dieser Landschaft ist, das sind unvergessliche Momente eines kleinen und doch ganz großen Glücks.

 

Du hast ja auch bei dem wundervollen Standardwerk zum ostdeutschen Blues „BYE BYE, LÜBBEN CITY – Bluesfreaks, Tramps und Hippies in der DDR“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf) mitgewirkt. Welches war da Dein Thema? Und was hast Du erzählt?

Als Historiker habe ich mich vorwiegend mit der Geschichte des mittleren Europas in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigt, mit der DDR und ihren östlichen und südöstlichen Nachbarn, und ich bin ein großer Freund der Alltags- und der Mentalitätsgeschichte. Die subkulturellen Strömungen und Bewegungen finde ich zudem sehr interessant. Ich stamme selbst aus Südthüringen, und da lag es nahe, dass ich über den Wasunger Karneval schreibe, der bei den Bluesern in den 70er und 80er Jahren sehr beliebt war, und den ich selbst ja auch in den 90ern dann noch erlebt habe.

 

Wie geht es jetzt weiter? Welche Projekte wachsen gerade?

Ich habe schon ein paar Ideen im Hinterkopf, derzeit schreibe ich bereits an einem weiteren Drehbuch, aber es steht noch in den Sternen, ob es umgesetzt werden kann. Nur so viel: Mit Paddeln oder der Donau hat es diesmal nichts zu tun.

Dann wünschen wir Dir ganz viel Leben. Danke für die Antworten.

 

Volly Tanners Interview mit Daniel Weißbrodt in der Leipziger Internetzeitung am 15. 02. 2015

»Die 500 Meter Regensburg hebelten mich aus«

Dokumentarfilmer Daniel Weißbrodt über die längste Paddelwanderfahrt der Welt

Lustig ist das Dokumentarfilmer-Leben: Hier lässt sich Daniel Weißbrodt einfach mal mitnehmen. Aber er paddelt auch selbst.

Die Tour International Danubien führt über 2.500 Kilometer die Donau entlang. Der Leipziger Historiker Daniel Weißbrodt ist mitgefahren und hat einen Dokumentarfilm daraus gemacht.

 

kreuzer: Wie fühlen sich 2.500 Kilometer in den Armen an?

DANIEL WEISSBRODT: Das geht eigentlich, anfangs hat die Donau doch noch gut Strömung. Es gibt zwar am Anfang recht viele Schleusen und dazwischen steht das Wasser, aber insgesamt fließt es gut. Man kommt also rein und die Tagesetappen von durchschnittlich 50 Kilometern sind auch nicht so lang, dass man völlig groggy ankommt.

 

kreuzer: Sie waren immer schon begeisterter Kanut?

WEISSBRODT: Überhaupt nicht. Ich habe auf dem Dachboden ein altes Faltboot gefunden. Und da dachte ich mir: Boot, Sommer, Urlaub, das ist eine gute Mischung. Die Donau habe ich gewählt, weil ich mich sowieso für Osteuropa interessiere und gern dort bin. Sie ist für mich der exotischste Fluss der Welt, kein anderer hat zehn Anrainerstaaten. Dann hatte ich von der Tour International Danubien gehört, die seit 1969 über den Eisernen Vorhang hinwegführt. Das reizte mich.

 

kreuzer: Sie hatten vorher schon Filmerfahrung?

WEISSBRODT: Überhaupt nicht. Aber ich wollte das mal ausprobieren. Ob ich das schaffe, war natürlich unklar.

 

kreuzer: Dafür sind viele poetische Bilder gelungen. Besonders die Ruhe des Kanus ist gut eingefangen. Wie sind Sie vorgegangen?

WEISSBRODT: Ich wollte irgendwie das Gefühl dieser Reise vermitteln, habe daher viele Detailaufnahmen und schöne Landschaftsbilder gesucht. Für die Kanuperspektive habe ich die Kamera vorn aufgeschraubt. So sind 42 Stunden Material zusammengekommen. Beim Schneiden bin ich der Dramaturgie von Texten gefolgt, habe mich an Filmästhetiken orientiert und Fachliteratur gelesen, um nicht jeden Anfängerfehler zu machen.

 

kreuzer: Sie sind eigentlich Wissenschaftler. Auszusetzen und zu sagen, jetzt mache ich eine Reisedokumentation, klingt etwas wahnsinnig.

WEISSBRODT: Das freut mich zu hören. Ich habe bis letztes Jahr an einer Nietzsche-Edition gearbeitet. Die Gelder bei diesem Drittmittelprojekt liefen aus und ich dachte mir, einen so langen freien Sommer bekomme ich nie wieder und habe einen Gründerzuschuss beantragt. Anfang dieses Jahres habe ich eine Crowdfunding-Aktion gestartet, um die Zeit bis zur Premiere für den Schnitt zu finanzieren.

 

kreuzer: Warum ist eigentlich die Durchfahrt durch Passau nicht zu sehen, die ein Interviewter als schönste Stelle beschreibt?

WEISSBRODT: Ich bin 2013 erst kurz hinter Passau eingestiegen und habe die deutsche Etappe in diesem Jahr nachholen wollen. Ich bin insgesamt 4.600 Kilometer auf der Donau gefahren, alles ohne Probleme. Aber nach 500 Metern in Regensburg hat es mich ausgehebelt. Ich bin gekentert, die Kamera war kaputt. Die Steinerne Brücke ist aber auch ein fieses Ding – und ich hatte viel Publikum. Leider habe ich bei Youtube & Co keinen Clip mit meinem Kentern gefunden.

 

Tobias Prüwer im KREUZER Leipzig 11/2014

 

- Daniel Weißbrodt: »Die Völkerverständigung, die klappt ganz gut...« Ein Film

  über die Tour International Danubien

- Premiere: 18. 11. 2014, 20 Uhr, Schaubühne Lindenfels

Visionbakery Crowdfunding Interview: »Die Völkerverständigung, die klappt ganz gut…«

Dieses Jahr findet die Tour International Danubien – die längste Wasserwanderfahrt der Welt – bereits zum 60. Mal statt und Filmemacher Daniel Weißbrodt finanziert bereits sein zweites Projekt auf VisionBakery. »Die Völkerverständigung, die klappt ganz gut…« über die TID entstand 2013 und nun sollen noch mehr Menschen in den Genuss dieses Dokumentarfilm kommen können. Wir haben mit Daniel über die TID und sein Projekt gesprochen und herausgefunden, was das alles mit Schneewittchenkuchen zu tun hat.

Du bezeichnest Dich selbst ungern als Paddler. Wie bist Du dann ausgerechnet auf die Idee gekommen, die gesamte Donau hinab zu paddeln?

 

Es war vor allem die Tatsache, dass die Donau nach Südosten fließt. In diesem Teil Europas bin ich schon oft gewesen, und ich bin immer wieder gerne dort. Auf dem Dachboden hatte ich ein altes Faltboot gefunden, und der Gedanke, mit dem Boot langsam und lange unterwegs zu sein, dabei kleinere und größere Orte zu besuchen, in die man mit einer anderen Art des Reisens niemals gelangen würde, der hat mich sehr gereizt. Zudem ist die Donau – kein Fluss auf der Welt hat auch nur annähernd so viele Anrainerstaaten – für mich der exotischste Fluss der Welt. Alle paar hundert Kilometer eine neue Grenze, ein neues Land, eine neue Sprache, das finde ich ungeheuer faszinierend. Die Gewässereigenschaften und die Strömungsverhältnisse, die Fließgeschwindigkeit und solche Sachen, das war für mich völlig nebensächlich, das interessierte mich, wenn überhaupt, nur ganz am Rande. Das war ziemlich naiv.

 

Was ist das Besondere an der Tour International Danubien?

 

Die Tour International Danubien, kurz TID, ist die längste, die älteste und trotzdem – außerhalb von den Paddlerkreisen selbst – wohl unbekannteste Paddeltour der Welt, die alljährlich im Sommer auf der Donau stattfindet. Die TID startet Ende Juni in Ingolstadt, sie führt in elf Wochen über 2.500 km durch acht Länder und endet Anfang September in Sfântu Gheorghe, Rumänien, am Schwarzen Meer.

In diesem Jahr findet nun schon die 60. TID statt, begonnen hatte alles 1956, als eine kleine Teilbefahrung zwischen Bratislava und Budapest. Aber schon 1969 startete die TID in Ingolstadt, Flusskilometer 2.455, und führte lange Zeit bis Silistra, Bulgarien, km 375.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: 20 Jahre vor dem Fall des Eisernen Vorhangs kommen da ein paar Verrückte und sagen: »Ach, eure komischen Grenzen, die interessieren uns nicht, und ach ja, wo gibt’s nochmal die Visa? Uns interessiert allein der Fluss.« Das war ja ein ungeheurer bürokratischer Aufwand damals! Das wichtigste Ziel der TID war und ist die Überwindung von Grenzen, die gegenseitige Akzeptanz ungeachtet aller kulturellen, sprachlichen und religiösen Unterschiede und das gegenseitige Kennenlernen. Das finde ich äußerst faszinierend, und es nötigt mir den höchsten Respekt ab, so etwas in der Hochzeit des Kalten Krieges unbeirrt durchzuziehen und eine Tradition zu begründen, die nun schon ein gutes halbes Jahrhundert existiert und nach wie vor äußerst lebendig ist.

 

Wann und warum hast Du Dich dazu entschlossen einen Film über die Tour zu machen? Eigentlich bist Du ja Wissenschaftler und kein Filmemacher.

 

Es war ein Versuch, entstanden aus einer Schnapsidee. Ein Versuch, der geklappt hat. Die technischen Möglichkeiten sind heute – vor zehn oder fünfzehn Jahren noch wäre eine solche Idee nicht umsetzbar gewesen – so, dass ich es wagen konnte, dieses Experiment anzugehen.

Nach der ersten Tour schon hatte ich angefangen, Literatur über die Donau zusammenzusammeln, ich habe mich ein bisschen eingelesen, das Interesse war geweckt, und dann stößt man über kurz oder lang auch auf die TID. Und so bin ich 2013 mitgefahren, diesmal am Stück, von Deutschland bis ans Meer, ich wollte einen Dokumentarfilm über die TID machen, habe eine Kamera mitgenommen, Interviews mit einigen der Paddler geführt, die die Gesamtstrecke gefahren sind, und habe schöne Detail- und Landschaftsaufnahmen gesucht. Wann hat man schon einmal die Möglichkeit, etwas zu machen, das es so noch nicht gegeben hat und was kaum jemand kennt, obwohl es eine absolut faszinierende Geschichte ist? Ein Film über die TID, das war ein solches Novum.

 

Letztes Jahr hast Du die Fertigstellung des Films „Die Völkerverständigung, die klappt ganz gut…“ erfolgreich mit Hilfe der Crowd finanzieren können. Warum hast Du Dich für diesen Weg der Finanzierung entschieden?

 

Als sich abzeichnete, dass das Material sowohl von der Menge – ich hatte 42 Stunden Aufnahmen mit nach Hause gebracht – als auch von der Qualität ausreichend ist, einen Film daraus zu machen, und als der Rohschnitt schon ganz gut aussah, habe ich das Crowdfunding gestartet. Ich finde, dass das eine gute Möglichkeit ist, ein Projekt zu finanzieren. Wenn viele Menschen sagen: »Ja, ich bezahle heute beispielsweise eine DVD oder eine Premierenkarte, erhalte sie in einem halben Jahr, und mit meiner Vorfinanzierung entsteht ein Film, den es ansonsten nicht geben würde«, dann ist das eine ganz feine Sache. Hier finden sich Gleichgesinnte, die gemeinsam etwas auf die Beine stellen, das eben nur durch die Crowd, durch den Schwarm, entstehen kann.

 

Momentan kann man Dein zweites Projekt unterstützen. Erklär uns doch um was es dabei geht!

 

Vor knapp anderthalb Jahren habe ich die Postproduktion des Films »Die Völkerverständigung, die klappt ganz gut…« Ein Film über die Tour International Danubien per Crowdfunding bei der Visionbakery erfolgreich finanzieren können und auch eine kleinere Auflage der DVDs herstellen lassen, die nun aber vergriffen ist. Nun möchte ich die 2. Auflage ebenfalls per Crowdfunding finanzieren.

 

Da Du ja schon ein alter Crowdfunding-Hase bist, hast Du sicherlich ein paar Tipps & Tricks für zukünftige Crowdfunder, oder?

 

Jede Aktion ist sicherlich einzigartig, aber ein paar Dinge gleichen sich schon: Der Zeitaufwand ist jedenfalls immens! Mindestens zwei Stunden täglich sollte man dafür schon einplanen. Und sich nicht entmutigen lassen, wenn es mal stagniert und nicht vorwärts geht. Abgerechnet wird am letzten Tag, das sollte man sich immer vor Augen halten bei dieser emotionalen Achterbahnfahrt, die man in dieser Zeit durchleidet.

Auf jeden Fall kann ich empfehlen, die sehr gute und professionelle Beratung, die man bei der Visionbakery erhält, zu nutzen, gemeinsam mit dem Team kann man viel erreichen, Möglichkeiten besprechen, die Besucherzahlen auf der eigenen Seite auswerten, und Wege zum Ziel suchen. Aber letztlich ist auch immer viel Glück dabei, und von einem Fehlschlag sollte man sich nicht entmutigen lassen.

 

Wie sieht Deine Paddel-Zukunft aus? Hast Du vor noch einmal die Donau hinunter zu paddeln oder hast Du erst mal andere Ziele?

 

Die Wiederholung des immer Gleichen, auch wenn es beide Male eine großartige Reise gewesen ist, wäre mir dann doch nichts. Zumindest nicht in nächster Zeit. Ich glaube, ich werde mich nun erst einmal wieder einem anderen Thema zuwenden, ich habe schon ein paar Ideen im Hinterkopf, derzeit schreibe ich bereits an einem weiteren Drehbuch, aber es steht noch in den Sternen, ob es umgesetzt werden kann. Nur so viel: Mit Paddeln oder der Donau hat es diesmal nichts zu tun.

 

Zum Schluss musst Du uns noch verraten, was es mit dem Schneewittchenkuchen auf sich hat!

 

Für die Tour International Danubien hatte ich mir ein Boot gebaut. Es gibt vorgefertigte Bausätze, und ich hatte es für meine Zwecke ein wenig modifiziert, aus dem Zweier einen Einer gemacht, die Luke verkleinert und eine Steueranlage angebracht. Als das Boot fertig war, habe ich meine Freunde zur Probefahrt eingeladen, einige haben sich hineingesetzt und es ausprobiert, wir tranken Bier und hatten einen schönen Abend. Irgendwann kam jemand auf die Idee, dass so ein Boot ja auch einen Namen braucht. Ich hatte bislang noch gar nicht daran gedacht, aber der Gedanke gefiel mir, und leichtsinnigerweise habe ich gesagt: »OK, stimmen wir ab!« Jemand sagte: »Donauwelle«, und ein anderer: »Das ist doch nur ein anderes Wort für Schneewittchenkuchen!« Und diesen Namen fand dann die Mehrheit, sie hatten ja auch alle schon ein paar Bier intus, so lustig, dass er bei der Abstimmung gewann. Ich hatte es versprochen, also blieb es dabei, und das Boot heißt nun »Schneewittchenkuchen«, auch wenn ich den Namen eigentlich gar nicht wirklich mag…

 

Visionbakery

Videointerview 1 – Paddeln auf der Donau

Videointerview 2 Die Tour International Danubien

Videointerview 3 »Die Völkerverständigung, die klappt ganz gut...« Ein Film über die Tour International Danubien

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